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Unzurechnungsfähigkeit im deutschen Strafrecht – Grundlagen und Vertiefung

Fachbeitrag im Strafrecht

Unzurechnungsfähigkeit im deutschen Strafrecht – Grundlagen und Vertiefung

Die Unzurechnungsfähigkeit ist ein zentraler Begriff im deutschen Strafrecht und beschreibt den Zustand, in dem eine Person aufgrund besonderer Umstände nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden kann. Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) legt dazu klare Kriterien fest, um sowohl den Schutz der Allgemeinheit als auch die Berücksichtigung individueller Umstände zu gewährleisten. Der folgende Beitrag beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen, spezifische Fallgestaltungen und die praktischen Konsequenzen im Umgang mit unzurechnungsfähigen Personen.

1. Schuldunfähigkeit gemäß § 19 und § 20 StGB

Schuldunfähigkeit bei Kindern (§ 19 StGB)

Gemäß § 19 StGB sind Kinder unter 14 Jahren schuldunfähig. Diese Regelung basiert auf der Annahme, dass Kinder in diesem Alter die Tragweite und Konsequenzen ihres Handelns noch nicht vollständig verstehen können. Strafrechtliche Maßnahmen gegen Kinder sind daher ausgeschlossen. Stattdessen greifen in solchen Fällen Maßnahmen aus dem Jugendhilferecht, die darauf abzielen, das Fehlverhalten pädagogisch aufzuarbeiten.

Schuldunfähigkeit bei Erwachsenen (§ 20 StGB)

Für Personen ab 14 Jahren regelt § 20 StGB die Schuldunfähigkeit, die sich auf folgende Ursachen beziehen kann:

  • Krankhafte seelische Störungen: Dazu gehören schwere psychische Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolare Störungen oder schwere Depressionen.

  • Tiefgreifende Bewusstseinsstörungen: Diese umfassen Zustände wie einen psychotischen Schub, epileptische Anfälle oder auch einen Schockzustand.

  • Intelligenzminderung: Ein stark unterdurchschnittlicher Intelligenzquotient kann ebenfalls zur Schuldunfähigkeit führen.

  • Schwere andere seelische Abartigkeiten: Darunter fallen Persönlichkeitsstörungen wie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, die in Extremfällen die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigen können.

Die Schuldunfähigkeit setzt voraus, dass der Täter entweder das Unrecht seiner Tat nicht erkennen konnte oder nicht in der Lage war, nach dieser Einsicht zu handeln. Dies wird im Strafverfahren häufig durch psychiatrische Gutachten festgestellt.

2. Verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB

Liegt keine vollständige Schuldunfähigkeit vor, aber die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, ist erheblich eingeschränkt, kommt § 21 StGB zur Anwendung. Die verminderte Schuldfähigkeit führt nicht zur Straffreiheit, sondern lediglich zu einer Strafmilderung. Beispiele hierfür sind:

  • Teilweise Beeinträchtigungen durch psychische Erkrankungen: Ein Täter, der an einer psychischen Störung leidet, jedoch noch in gewissem Maße handlungsfähig ist, könnte in diese Kategorie fallen.

  • Einfluss von Alkohol oder Drogen: Wenn der Täter zwar unter dem Einfluss von Substanzen stand, diese jedoch nicht zur vollständigen Unzurechnungsfähigkeit führten, kann § 21 StGB greifen.

Die Entscheidung über eine Strafmilderung liegt im Ermessen des Gerichts und wird individuell geprüft.

3. Unzurechnungsfähigkeit durch Alkohol oder Drogen

Ein häufig diskutierter Fall der Unzurechnungsfähigkeit ist der durch Substanzkonsum bedingte Vollrausch. Hierbei spielt insbesondere die Blutalkoholkonzentration (BAK) eine entscheidende Rolle. Die Rechtsprechung orientiert sich dabei an folgenden Werten:

  • 3,0 Promille: Ab diesem Wert wird bei den meisten Delikten von einer Schuldunfähigkeit ausgegangen.

  • 3,3 Promille: Dieser Wert gilt speziell bei Tötungsdelikten als Schwelle zur Unzurechnungsfähigkeit.

Wichtig ist jedoch, dass eine selbstverschuldete Unzurechnungsfähigkeit nicht automatisch zur Straffreiheit führt. Nach § 323a StGB („Vollrausch“) kann eine Person, die sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht, dennoch bestraft werden. Hierbei steht die Tat als solche nicht im Fokus, sondern der Rauschzustand selbst.

4. Praktische Konsequenzen der Schuldunfähigkeit

Strafrechtliche Konsequenzen

Ist eine Person schuldunfähig, entfällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Das bedeutet, dass eine Verurteilung und Bestrafung nicht erfolgen können. Doch dies bedeutet nicht, dass die Taten ohne Konsequenzen bleiben. Das Strafgesetzbuch sieht verschiedene Maßnahmen vor, um sowohl den Schutz der Allgemeinheit als auch die Behandlung des Täters sicherzustellen.

Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 63 StGB)

Gemäß § 63 StGB kann eine schuldunfähige Person in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden, wenn die Gefahr besteht, dass sie auch künftig erhebliche Straftaten begehen wird. Diese Maßregel dient weniger der Bestrafung, sondern vielmehr dem Schutz der Allgemeinheit und der medizinischen Behandlung des Täters.

Die Unterbringung erfolgt jedoch nur unter strengen Voraussetzungen. Ein psychiatrisches Gutachten muss die dauerhafte Gefährlichkeit der Person belegen. Zudem wird die Maßregel regelmäßig überprüft, um sicherzustellen, dass die Unterbringung weiterhin erforderlich ist.

Beispielhafte Fälle aus der Praxis

  • Fall 1: Ein psychisch kranker Täter begeht eine schwere Gewalttat. Ein Gutachten bestätigt, dass er die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Das Gericht ordnet die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung an.

  • Fall 2: Eine Person mit starkem Alkoholkonsum begeht eine Körperverletzung. Obwohl die Schuldunfähigkeit festgestellt wird, erfolgt eine Verurteilung nach § 323a StGB wegen des selbstverschuldeten Rausches.

5. Herausforderungen in der Praxis

Die Feststellung der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit ist oft komplex und erfordert eine genaue Prüfung der Umstände. Psychiatrische Gutachten spielen dabei eine zentrale Rolle. Diese sind jedoch nicht immer eindeutig, da psychische Zustände schwer zu messen und interpretieren sind.

Zudem gibt es Fälle, in denen Täter versuchen, eine Schuldunfähigkeit vorzutäuschen, um einer Bestrafung zu entgehen. Hier ist die Erfahrung des Gerichts sowie die Qualität des Gutachtens entscheidend.

Fazit

Die Regelungen zur Unzurechnungsfähigkeit im deutschen Strafrecht sind Ausdruck eines differenzierten und fairen Systems, das sowohl die Rechte des Täters als auch den Schutz der Allgemeinheit berücksichtigt. Während schuldunfähige Personen nicht bestraft werden können, sorgen Maßnahmen wie die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus dafür, dass sie dennoch nicht gefährlich bleiben. Die Abgrenzung zwischen Schuldunfähigkeit, verminderter Schuldfähigkeit und selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die sowohl juristische als auch medizinische Expertise erfordert.

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